Ratgeber zur Arbeitszeiterfassung: Infos zur Zeiterfassung in Deutschland auf einem Blick
Die Arbeitszeiterfassung spielt nach dem BAG-Urteil aus September 2022 eine noch größere Rolle in Unternehmen. Sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. In unserem Ratgeber zur Arbeitszeiterfassung finden Sie die relevantesten Informationen.
Arbeitszeiterfassung per Definition: Darum geht es
Was ist Arbeitszeiterfassung eigentlich? Laut Definition messen Unternehmen und Firmen wie lange und in welchem Zeitraum die Mitarbeitenden einer Tätigkeit nachgehen. Vorgeschrieben wird allerdings nicht, mit welchem Mittel diese Erfassung der Arbeitszeit erfolgen muss. Noch nicht.
Grundsätzlich müssen laut dem Arbeitszeitgesetz aber bestimmte Regelungen bei der Erfassung der Arbeitszeit eingehalten werden. Das sind:
- Werktägliche Arbeitszeit beträgt acht Stunden. In Ausnahmen kann diese auf zehn Stunden erhöht werden.
- Einhaltung von Ruhepausen von mindestens 11 Stunden zwischen der täglichen Arbeit.
- Durchführung einer Pause von mindestens 30 Minuten nach sechsstündiger Arbeit. Mindestens 45 Minuten Unterbrechung nach neunstündiger Tätigkeit.
Arbeitszeiterfassung ist Pflicht: Doch seit wann?
Der Schrecken nach dem BAG-Urteil in 2022 war groß. Die Erfassung der täglichen Arbeitszeit wird zur Pflicht. Dabei besteht die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits seit 2019. Genauer gesagt seit dem EuGH-Urteil.
Das BAG-Urteil aus September 2022 hat den Entscheid des Europäischen Gerichtshofes bloß untermauert.
Vor dem EuGH-Urteil war die Arbeitszeiterfassung keine generelle Pflicht. Das Arbeitsgesetz von 1994 gibt lediglich einen einheitlichen Rahmen vor. Dazu zählen unter anderem Punkte wie die Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten und Pausenzeiten.
Das Arbeitszeitgesetz schreibt nur vor, dass folgende Arbeitszeiten verpflichtend zu dokumentieren sind:
- Überstunden
- Sonn- und Feiertagsarbeit
Wie sich die generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland entwickelte, zeigt die nachfolgende Chronologie.
EuGH Urteil zur Arbeitszeiterfassung von 2019
Bereits der Entscheid des Europäischen Gerichtshofes ging als erstes „Stechuhr-Urteil“ in die Geschichte ein. Geklagt hatte die spanische Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) gegen die in Spanien ansässige Deutsche Bank SAE.
Die Richter gaben der Klage statt und entschieden, dass Unternehmen in Zukunft alle Arbeitsstunden Ihrer Mitarbeitenden erfassen müssen.
Zwei wichtige Punkte stechen aus dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung:
- Das System zur Arbeitszeiterfassung muss objektiv, verlässlich und zugänglich sein.
- Die detaillierte Umsetzung obliegt den Mitgliedstaaten. Dabei können Besonderheiten wie jeweilige Tätigkeitsbereiche sowie Größe oder Eigenheiten von Unternehmen mit in das nationale Gesetz aufgenommen werden.
Somit ist die Umsetzung des EuGH Urteils zur Arbeitszeiterfassung nicht für alle Branchen gleichgeltend. Es besteht die Möglichkeit von entsprechenden Ausnahmen zur Arbeitszeiterfassung laut dem EuGH.
BAG Urteil zur Arbeitszeiterfassung von 2022
Nach dem ersten Urteil des EuGHs legte das deutsche Bundesarbeitsgericht im September 2022 nach. Das Urteil des BAGs zur Arbeitszeiterfassung bestätigte noch einmal den vorherigen Entscheid der europäischen Richter.
Das Bundesarbeitsgericht entschied hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung, dass Arbeitgeber ein System bereitstellen müssen, damit Arbeitnehmer Ihre geleistete Arbeitszeit erfassen können. Somit sind alle Mitarbeiter*innen in Deutschland verpflichtet, Ihre Arbeitszeit zu erfassen.
Das steht im Arbeitszeiterfassung Gesetz 2022
Im Urteil zur Arbeitszeiterfassung orientierte sich das Bundesarbeitsgericht stark am EuGH-Entscheid. Das System zur Zeiterfassung kann, muss aber nicht in elektronischer Form erfolgen.
Außerdem macht das Arbeitszeiterfassung-Urteil deutlich, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, von dem bereitgestellten System Gebrauch zu machen.
Arbeitszeiterfassung 2023: der aktuelle Stand
Im April 2023 stellte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den ersten Referentenentwurf für das neue Arbeitszeitgesetz vor.
In diesem neuen Gesetz zur Erfassung der Arbeitszeit wurden die Arbeitszeiterfassung-Urteile vom BAG und EuGH mit umgesetzt.
Arbeitszeiterfassung Gesetz 2023: die wichtigsten Punkte
Die relevantesten Eckpunkte des Gesetzes zur Arbeitszeiterfassung von April 2023 sind:
- Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit
- Erfassung in elektronischer Form
- Nicht-elektronische Zeiterfassung bei Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden
- Aufbewahrung der Daten von mindestens zwei Jahren
- Arbeitgeber müssen Arbeitnehmende auf deren Verlangen hin über aufgezeichnete Arbeitszeit informieren
Umsetzung des neuen Gesetzes
Der Referentenentwurf von April 2023 war ein erster Schritt in Richtung mehr Rechtssicherheit. Mehr aber auch nicht.
Dieser Entwurf wird zunächst in der Bundesregierung sowie anschließend im Bundestag diskutiert. Etwaige Änderungen sind nicht ausgeschlossen. Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Vielleicht sogar noch vor der obligatorischen Sommerpause des Bundestages.
Modelle zur Arbeitszeiterfassung
Laut dem Referentenentwurf wird eine elektronische Zeiterfassung angestrebt. Das bedeutet allerdings nicht, dass es ausschließlich eine digitale Arbeitszeiterfassung sein muss. Theoretisch ist eine Arbeitszeiterfassung per Excel weiterhin möglich. Hierbei handelt es sich im weitesten Sinne um ein elektronisches Zeiterfassungs-Modell.
Diese möglichen Programme zur Arbeitszeiterfassung sind, aktuell, nutzbar:
- Arbeitszeiterfassung per Excel
In vielen Unternehmen ist Excel das Tool für die Arbeitszeiterfassung. Diese Lösung ist zwar einfach zu nutzen, da auf den meisten Rechnern bereits vorinstalliert. Allerdings ist eine Excel-Tabelle zur Arbeitszeiterfassung einfacher manipulierbar und anfälliger für menschliche Fehler.
- Arbeitszeiterfassung per App
Eine digitale Form der Arbeitszeiterfassung ist per App über das Smartphone oder Tablet. Dieser Trend hat sich verstärkt durch die Corona-Pandemie und die Arbeit aus den eigenen vier Wänden. Mit der App die Arbeitszeit zu erfassen ist außerdem ein großer Vorteil für Mitarbeitende im Außendienst.
- Arbeitszeiterfassung online am Desktop
Dank New Work wie Home Office oder Workation ist die online Zeiterfassung der Arbeitszeit ein beliebtes Mittel geworden. Diese Form der digitalen Arbeitszeiterfassung wird in den kommenden Jahren noch zunehmen.
- Arbeitszeiterfassung per Handzettel
In vielen kleineren Betrieben oder speziellen Branchen wie dem Baugewerbe ist die händische Arbeitszeiterfassung immer noch ein probates Mittel. Diese Form ist nach dem neuen Gesetz zur Arbeitszeiterfassung ebenfalls möglich. Mehr in den Ausnahmen zur Zeiterfassung.
Weitere Modelle zur Arbeitszeiterfassung sind unter anderem noch die klassische Stempeluhr oder moderne Lösungen wie stationäre Systeme.
Tipp: Wechseln Sie auf die sichere Seite. Mit unserer Zeiterfassung-Software.
Arbeitszeiterfassung Gesetz 2023: die Ausnahmen
Folgende Ausnahmen gibt es laut dem aktuellen Gesetzesentwurf zur Erfassung der Arbeitszeit:
Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden werden von der Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung ausgenommen. Kleine und mittlere Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitenden sind aber davon betroffen. Diese profitieren aber von Ausnahmeregelungen sogenannten Übergangslösungen.
Diese Übergangslösungen, zur Einführung der elektronischen Arbeitszeiterfassung, gelten für Unternehmen und Organisationen und richten sich nach ihrer jeweiligen Größe:
- 5 Jahre bei < 50 Mitarbeitende
- 2 Jahre bei 51 – 250 Mitarbeitenden
- 1 Jahr bei > 250 Mitarbeitenden
Arbeitszeiterfassung: Vorteile auf einem Blick
Durch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ergeben sich einige Vorteile. Sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.
Die Vorteile der Arbeitszeiterfassung für Angestellte*innen sind zum einen die korrekte Abrechnung der geleisteten Stunden. Zum anderen die detaillierte Erfassung von Überstunden. Somit kann eine bessere Einhaltung der arbeitsrechtlichen Standards gewährleistet werden.
Außerdem bietet die Erfassung der Arbeitszeit ein mehr an Transparenz, Fairness und bessere Tagesplanung.
Auf der anderen Seiten können Arbeitgeber schneller und effektiver Ressource ein- und verplanen. Außerdem erleichtert eine digitale Arbeitszeiterfassung die Lohnbuchhaltung durch eine verbesserte Übertragung von Daten.
Beispielsweise werden Überstunden oder die Arbeitsstunden an Feiertagen automatisch in das Lohnbuchhaltungssystem übertragen. Dadurch wird eine korrekte Entgeltabrechnung gewährleistet.
Nachteile der Arbeitszeiterfassung
Natürlich bringt die Arbeitszeiterfassung Pflicht auch Nachteile mit sich. Dazu zählt auf Arbeitgeberseite die fälschliche Nutzung der gewonnen Daten. Es besteht somit die Gefahr der Zweckentfremdung.
Mitarbeitende haben dagegen das Gefühl, ein gewisses Maß an Freiheit abzugeben. Außerdem verstärkt sich das Gefühl vom Vorgesetzten kontrolliert zu werden. Eine Gefahr für das Betriebsklima und die persönliche Motivation der Mitarbeitenden.
Deshalb ist ein offener und transparenter Umgang mit dem Thema Arbeitszeiterfassung umso wichtiger. Es gilt, Vorbehalte durch offene Gespräche abzubauen. Und beiden Seiten die Vorteile aufzuzeigen und mit Mythen rund um die Zeiterfassung aufzuräumen.
Arbeitszeiterfassung nach Branchen
Die verpflichtende Arbeitszeiterfassung soll für alle Branchen kommen. Oder etwa doch nicht. Wir werfen einen Blick auf relevante Berufsgruppen:
- Arbeitszeiterfassung für Lehrer
Lehrer müssen seit Januar 2022 die Arbeitszeit verpflichtend erfassen. Das betrifft alle Lehrer, ob Voll- oder Teilzeit, und gilt für alle Schulformen.
Die Arbeitsstunden können durch handschriftliche Dokumentation in Papierform erfolgen. Oder durch eine digitale Arbeitszeiterfassung mittels einer Software.
- Arbeitszeiterfassung im Außendienst
Im Außendienst ist die Arbeitszeiterfassung ebenfalls Gang und Gebe. Und das aus zweierlei Gründen:
- Erstellung der Rechnung an den Kunde
- Nachweis für die erbrachte Leistung
Allerdings gibt es Unterschiede bei der Wahl des Zeiterfassungs-Systems. Dies kann von Branche zu Branche unterschiedlich sein.
- Arbeitszeiterfassung für leitende Angestellte
Leitende Angestellte sind von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung befreit. Wer zu den leitenden Angestellten gehört, regelt das Betriebsverfassungsgesetz.
Wichtig: Eine weitere Voraussetzung ist, dass die die Arbeitszeit aufgrund besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt werden kann oder die Arbeitnehmer die Arbeitszeit selbst festlegen.
- Arbeitszeiterfassung beim Kleinbetrieb
Nach den EuGH- und BAG-Urteilen müssen per se Kleinbetriebe ebenfalls die Arbeitszeit erfassen. Allerdings hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in dem ersten Referentenentwurf eine Ausnahme eingebaut.
Demnach sind Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden von der verpflichtenden Zeiterfassung befreit.
- Arbeitszeiterfassung im Minijob
Es besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung beim Minijob, wenn dieser im gewerblichen Bereich stattfindet. Ist der Minijob im Privathaushalt, dann muss die Arbeitszeit nicht dokumentiert werden.
- Arbeitszeiterfassung in der Arztpraxis
Die Arbeitszeiterfassung ist Pflicht für Kliniken und Praxisinhaber. Denn diese sind Arbeitgeber und fallen demnach unter das Arbeitsschutzgesetz.
Weitere Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung sind:
Chefärzte
- Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter
- Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind
- Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen,
- den liturgischen Bereich der Kirchen und der Religionsgemeinschaften
Diese Ausnahmen ergeben sich aus dem Arbeitszeitgesetz.
Fazit zur Arbeitszeiterfassung
Noch immer umgibt die Arbeitszeiterfassung ein dichter, gesetzlicher Nebel. Der Referentenentwurf hat am Ende mehr Fragen als Antworten geliefert. Mit vielen Ausnahmen und schwammigen Formulierungen.
Fest steht, dass das Programm zur Arbeitszeiterfassung laut dem EuGH-Urteil objektiv, zugänglich und verlässlich sein muss. Wer als Unternehmen auf der sicheren Seite sein möchte, sollte auf die digitale Arbeitszeiterfassung in Betracht ziehen.
Diese bietet im Idealfall nicht nur Rechtssicherheit, sondern gestaltet auch den Alltag der Mitarbeitenden deutlich einfacher und effektiver. Und spart am Ende Zeit und Kosten.
Christoph Mers
Online Content Manager