Deutsches Gericht urteilte zur Arbeitszeiterfassung
Seit der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs im Mai 2019 hat sich einiges getan. Nach dem ersten Schock hat sich die Aufregung um das Urteil schnell wieder entspannt. Schaut man sich die Politik an, könnte man meinen, sie handelt fast schon zu entspannt. Denn die Frist, die letzte Deadline die neue Rechtsprechung umzusetzen, läuft bald aus. Der europäische Gerichtshof gab seinen Mitgliedsstaaten eine Zwei-Jahresfrist. Bis spätestens 2021 müssen die gesetzlichen Ergänzungen durchgeführt werden. Nun befindet sich das Jahr 2020 schon im zweiten Quartal und die Politik steht kurz vor der Sommerpause. Die Corona-Pandemie hatte die politische Agenda fest im Griff und dies scheint sich in den nächsten Monaten auch nicht zu ändern.
Das Arbeitsgericht Emden nahm die gesetzliche Umsetzung nun in die Hand und urteilte am 20.02.2020 im Sinne des EuGHs.
Details zum Fall
Der ungelernter Bauhelfer aus Emden verklagte seinen Arbeitgeber auf die Nachzahlung seiner geleisteten Arbeitsstunden. Der Kläger berichtete, dass er in einem Zeitraum von September bis November 2018 insgesamt 195 Arbeitsstunden geleistete habe, auf zwei unterschiedlichen Baustellen. Der Arbeitgeber würde ihm jedoch nur 183 Arbeitsstunden anerkennen und somit auch vergüten. In seiner Klage verlangt er die Nachzahlung der restlichen 12 Arbeitsstunden. Als Beweisgrundlage dienten die von ihm handschriftlich geführte Aufzeichnungen. Dort erfasste er seine Arbeitszeit sowie die täglichen Einsatzorte.
Der Arbeitgeber widersprach der Gültigkeit und Glaubwürdigkeit seiner Aufzeichnungen, denn der Arbeitgeber führte selbst ein Bautagebuch über den Arbeitsbeginn und Arbeitsende aller Mitarbeiter. Man erklärte die Differenz der Stundenanzahl damit, dass die Fahrzeiten vom Zuhause der Mitarbeiter bis zum Einsatzort dazu addiert wurden. Diese Pendelei zum Einsatzort werde allerdings nicht vom Arbeitgeber bezahlt.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Emden
Der Klage des ungelernten Bauhelfers wurde letzten Endes stattgegeben. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen sei. Der Arbeitgeber habe für keine ausreichende, objektive Arbeitszeiterfassung gesorgt. Der Arbeitnehmer konnte keine verlässlichen Daten von Seiten des Arbeitgebers einsehen und müsste sich deshalb auf seine eigenen Aufzeichnungen stützen. Eine entsprechende Verantwortung bei der Arbeitszeiterfassung gegenüber dem Arbeitnehmer sieht das Emdener Arbeitsgericht im Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.
Die Zahlungsklage sieht und bestätigt den Anspruch auf Erkennung der 195 Arbeitsstunden und verpflichtet den Arbeitgeber zur Nachzahlung von 156,65 Euro in erster Instanz.
Mehr als eine Handlungsempfehlung
Nach der Entscheidung des EuGHs, waren sich die deutschen Politiker uneinig. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sah die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof eher als eine Handlungsempfehlung, während der Bundesarbeitsminister Hubert Heil auf eine schnelle Umsetzung pochte. Letztendes verlief das EuGH-Urteil im Sand und die deutsche Politik bemühte sich nur wenig darum, die Rechtsprechung in die deutsche Gesetzgebung zu integrieren.
So wirkt das Urteil aus Emden doch wie ein unsanfter Wecker Montagmorgens. Das Risiko eine objektive Zeiterfassung möglicherweise zu verschlafen, wurde am Anfang häufig diskutiert und anschließend schnell wieder vergessen. Nun scheint das Szenario einzutreten, denn das Emdener Arbeitsgericht sieht die Verantwortung beim Arbeitgeber. Ist ein Präzedenzfall erstmals ausverhandelt, gibt es kaum einen Weg zurück. Die Rechtsprechung aus Emden wird nun für weitere Arbeitsgerichte als Orientierung dienen und bei zukünftigen Urteilen zum Thema Arbeitszeiterfassung einen maßgebeblichen Einfluss haben. Es hebt hervor das es sich bei der Arbeitszeiterfassung um ein nachvollziehbares, prüfbares System handeln muss. Alle anderen Methoden haben vor dem Arbeitsgericht keine großen Erfolgsausschichten.
Alle Arbeitgeber sollten sich in Erinnerung rufen, dass es bei der Arbeitszeiterfassung nicht nur um den Arbeitsschutz geht. Viel häufiger wird die Vergütungsfrage mit dem Arbeitgeber argumentiert. Das wird schnell zur kostspieligen Angelegenheit, wenn das zuverlässige Zeiterfassungsprogramm fehlt.
Quelle: Arbeitsgericht Emden, Urteil vom 20.02.2020, Az: 2 Ca 94/19