Berufe ohne Zukunft – Die Jugend möchte etwas anderes als die Industrie 4.0
Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt werden sich noch weiter verschlechtern. Die Baby Boomer, wie die Generation aus den Nachkriegsjahren genannt wird, werden sich aus dem Berufsleben verabschieden und in ihren wohlverdienten Ruhestand übergehen. Gefüllt werden soll diese Lücke von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Generation Z. In der Sonderstudie zur Ausbildungs- und Berufswahl von Jugendlichen der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, welche bei den nachrückenden Jugendlichen, besonders im Trend liegen. Befragt wurden insgesamt 600.000 Schüler aus 41 Ländern. Das Ergebnis überraschte, denn auch wenn sich die neue Generation als „digital native bezeichnen lässt, scheint diese Medien- und Technologieaffinität keinen Einfluss auf die Berufswahl zu haben.
Es bleibt klassisch, trotz Digitalisierung und Smart Factory
Es ist für viele eine verwunderliche Erkenntnis. Während die Unternehmen den Fachkräftemangel beklagen und die Spezialisten den Einsatz von künstlichen Intelligenzen, digitale Transformation und eine noch stärkere Automatisierung prophezeien, scheint die Jugend diese Aspekte bei der Berufswahl nicht zu berücksichtigen. Laut der Studie des OCED stehen nämlich besonders die klassischen und kreative Ausbildungsberufe hoch im Kurs. Ob als Bankkaufmann, Industrie- oder Bürokauffrau, die Tätigkeitsfelder der Finanz- und Versicherungswirtschaft halten sich hartnäckig. All jene Branchen, in denen seit Jahren massiv Stellen abgebaut werden. Auch die Industrie ist vor Veränderungen nicht sicher. Die Papier- und Druckindustrie, das verarbeitende Gewerbe und das Bankwesen sind stark von der Automatisierung betroffen. 14 Prozent der Professionen besitzen ein hohes Risiko, zukünftig von der Automatisierung komplett ersetzt zu werden. In Schwellenländern ist der Abbau von Jobs besonders hoch. Chile, Peru, und Litauen sind davon betroffen, ebenso wie Mexico und Griechenland.
Signifikant ist, dass klassische Berufe mit einem hohen Qualifikationsanspruch selten automatisiert werden. Nicht nur Doktor zu spielen, sondern auch zu sein, wünschen sich immerhin 16 Prozent der Mädchen und 9 Prozent der Jungen. Auch die anspruchsvollen Berufsbilder des Ingenieures, des Business-Managers oder des Lehrers sind zumindest außerhalb von Deutschland klassische Berufsbilder und sehr beliebt.
Die Schüler aus Indonesien möchten nichts lieber als einen Studienabschluss mit einer anschließenden Karriere. Die Schüler und Schülerinnen aus Brasilien, Mexico und Thailand sind ähnlich motiviert. Dort scheint ein anspruchsvoller Beruf für die persönliche Laufbahn vorgesehen zu sein.
Erst auf dem fünften Platz des Rankings erscheint Südkorea als die erste Industrienation. Dort begeistert sich die Jugend vor allem für ein mathematisch-technische Studium oder Ausbildungsplatz.
Magere Aussichten für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0
In Deutschland sind die Aussichten vergleichsweise düster. Das Automatisierungsrisiko der klassischen Berufe ist im europäischen Vergleich am höchsten. Selbst in Polen, Ungarn oder Russland werden nicht so viele zukunftslose Tätigkeiten angestrebt, wie in Deutschland. Die Gründe dafür liegen im Umfeld und im Bildungssystem.
Das deutsche Bildungssystem ist marode und ungerecht. Denn in Deutschland entscheiden immer noch die Herkunft und das Elternhaus über den akademischen Erfolg des Nachwuchses. Kinder aus einem finanziell schwächeren Haushalt oder ungebildeten Elternhaus haben es sehr viel schwerer, einen hohen akademischen Abschluss zu erlangen, als andere Kinder. In deutschen Schulen herrscht eine Chancenungleichheit - und das ist den Schülern sehr wohl bewusst. 12 Prozent der Mädchen und 18 Prozent der Jungen glauben nicht daran, die Schullaufbahn ganz abschließen zu können. Eine Tendenz, die sich auch in anderen Ländern der Welt wiederspiegelt.
Die Jugend ist deprimiert. Geprägt von sozialer Ungerechtigkeit, veralteten Geschlechterrollen und Ausgrenzung durch ethnische Herkunft glauben viele jungen Erwachsene nicht mehr an die große Karriere in der Wirtschaft. Auch die akademischen High Performers und zukünftigen High Potentials sind pessimistisch. Reichte früher ein guter schulischer Ausbildung, sind viele nun der Überzeugung, dass gute Noten keine Garantie für einen Ausbildungsplatz, Erfolg oder eine lebenswerte Zukunft sind.
Deswegen sucht die Jugend vor allem im direkten persönlichen Umfeld nach dem Traumjob. Dort treffen sie eher auf die klassischen als auf hochspezialisierte Berufe. Das größte Problem hierbei ist die Alternativlosigkeit.
Wo sind sie zu finden, die Spezialisten?
Gesucht werden neue Fachkräfte in der ganzen Wirtschaft. Ob im Groß- und Außenhandel, der Feinmechanik, Lebensmittel- und chemischen Industrie oder der Textil- und Kunststoffverarbeitung. Die Wirtschaft braucht Spezialisten! In der Entwicklung von Informationstechnik und Robotik entstehen fast sekündlich neue Professionen und Aufgabenfelder. Ein paar gute, aber ausgewöhnliche Beispiele dafür sind die neuen Berufsbilder wie Software Consultant, Account Manager, Umwelttechniker, Kategorie Manager oder der Data Analyst. Auch der Vertrieb oder die Produkt- und Projektmanager suchen händeringend nach Nachwuchs.
Umso schmerzhafter sind die Nachrichten aus den deutschen Universitäten. Die Erstsemester-Anmeldungen für Informatik haben sich mit 2.000 Anmeldungen halbiert und die Studiengänge Mechanik und Ingenieurwesen verzeichnen pro Jahr weniger als 5.000 Abschlüsse. Währenddessen sieht es in anderen Studiengängen und Ausbildungszweigen der Naturwissenschaft ähnlich düster aus.
Nur die sozialpädagogischen Ausbildungen und Studiengänge können einen leichten Anstieg der Azubis und Studenten verzeichnen.
Die Unternehmen müssen sich kümmern
Versagt der Bildungsapparat, müssen die Unternehmen einschreiten. Die berufliche Karriere startet bekanntlich schon in der Schule. Ein frühes praktisches Kennenlernen und das Eintauchen in die Berufswelt machen die theoretische Berufswahl zu einem praktischen Prozess. Schließlich können sich die jungen Erwachsen nur für eine Ausbildung als IT-System-Kaufmann entscheiden, wenn sie von ihr wissen.
Eine frühe und direkte Kontaktaufnahme hat mehrere Vorteile. Neben dem Anwerben von Humankapital können Rekrutierer auch die Marke des Unternehmens voranbringen und die Bewerber persönlich kennenlernen. Ausbildungsmessen, Besuche im Unternehmen oder das Anwerben direkt in der Schule können Schülern eine bessere Perspektive und ein Druck vom Unternehmen vermitteln. Denn ist das Personal knapp, ist auch ungelerntes Personal wertvoll. Das passenden Informationen und das richtige Know-how kann anschließend Inhaus vermittelt werden. Je früher, je besser.
Ebenso wichtig ist das Engagement und Lernbereitschaft der Auszubildenen. So wichtiger ist der persönliche Kotakt zu den Bewerber, um feststellen zu können, ob der Bewerber zum Unternehmen passt.