Deutsche Unternehmen haben Nachholbedarf bei der Entwicklung des internen Personals
16. November 2023
- Fast vierzig Prozent der deutschen Arbeitgeber:innen besetzt offene Stellen bevorzugt mit externen Kandidat:innen
- Nur ein Viertel sucht gezielt intern
- Die Mehrheit der befragten Arbeitgeber:innen kennt die Kompetenzen ihrer Angestellten nicht genau
Deutsche Unternehmen vernachlässigen das Potenzial, intern offene Stellen zu besetzen und Mitarbeiter:innen fortzubilden. Sie rekrutieren bevorzugt von extern – doch mit dieser Haltung sind sie in Europa durchaus nicht allein. Das zeigt eine Studie von SD Worx, dem führenden europäischen Anbieter von HR- und Payroll-Dienstleistungen, die bei mehr als 16.000 Arbeitnehmer:innen und fast 5.000 HR-Manager:innen aus 16 europäischen Ländern durchgeführt wurde.
Laut der Untersuchung sind sich sechzig Prozent der deutschen – und ebenso gesamteuropäischen – Arbeitgeber:innen bewusst, welche Angestellten sie für das Überleben ihres Unternehmens langfristig benötigen, und geben an, dass ihnen Arbeitskräfte fehlen. Jedoch suchen sie diese eher außerhalb des eigenen Unternehmens. Vor allem Norwegen und Frankreich bevorzugen externe Kandidat:innen (jeweils 48 Prozent), gefolgt von Polen und Spanien (jeweils 46 Prozent), während Deutschland mit 38,6 Prozent fast exakt im europäischen Schnitt von 39 Prozent liegt. Schlusslicht ist Finnland mit nur gut einem Drittel aller Unternehmen (34 Prozent), gefolgt von den Niederlanden, Dänemark und Kroatien (jeweils 33 Prozent) sowie Österreich und der Schweiz (jeweils 32 Prozent).
„Offene Stellen sind nach wie vor schwierig zu besetzen. Deshalb ist es für Führungskräfte so wichtig, auch intern nach geeigneten Talenten zu suchen“, sagt Susanne Müller, People Director bei SD Worx. „Indem Unternehmen alle verfügbaren Talentquellen anzapfen, erhöhen sie ihre Chancen, offene Stellen zu besetzen. Darüber hinaus wirkt sich die Förderung der innerbetrieblichen Mobilität nicht nur auf das Unternehmen positiv aus. Sie bietet auch zusätzlich Perspektiven für Mitarbeiter:innen mit persönlichen Wachstumszielen.“
Ungenutzte Mittel im Kampf gegen den Fachkräftemangel
An sich spricht nichts dagegen, externe Fachkräfte ins eigene Unternehmen zu holen: Ein frischer Blick und Ideen von Neuzugängen sind oft willkommen und auch nötig. Durch die klare Bevorzugung dieses Ansatzes verpassen Unternehmen, die ihren Mitarbeiter:innen wenig oder keine Entwicklungsmöglichkeiten bieten, jedoch Chancen, Fachkräfte intern zu finden.
Insgesamt entscheidet sich sogar nur gut ein Viertel der deutschlandweit befragten Arbeitgeber:innen (26 Prozent) ausdrücklich dafür, interne Mitarbeiter:innen zu rekrutieren, um offene Stellen zu besetzen, und liegen damit erneut fast exakt im europäischen Schnitt. Jeweils ein Drittel verfolgt nicht ausdrücklich einen der beiden Ansätze, sondern entscheidet von Fall zu Fall.
Unternehmen erschweren Angestellten die interne Fortbildung
Natürlich gibt es auch Gründe für die bewusste Entscheidung, primär extern zu suchen – nicht zuletzt, dass es einem Drittel der Unternehmen schwerfällt, Mitarbeiter:innen überhaupt an anderer Stelle im Unternehmen einzusetzen. Frankreich (43 Prozent), gefolgt von Belgien, Schweden, Norwegen und Finnland (jeweils 39 Prozent) stellt dies vor die größte Hürde, während Deutschland mit 32 Prozent im Mittelfeld liegt. Möglicherweise erklärt das, warum Führungskräfte in 40 Prozent der europäischen Unternehmen den intern gerichteten Ansatz nicht bevorzugen. Auf Seite der Mitarbeiter:innen sieht das nicht anders aus, im Gegenteil: 65 Prozent haben kein direktes Interesse daran, eine neue Stelle im selben Unternehmen anzunehmen.
Am Arbeitsplatz herrscht scheinbar viel Unwissenheit über die Wege, die Mitarbeiter:innen wirklich beschreiten möchten. Lediglich durchschnittlich 43 Prozent (Deutschland: 41 Prozent) der befragten Arbeitnehmer:innen wissen nur zu einem gewissen Grad über die Weiterentwicklungschancen innerhalb ihres Unternehmens und die nötigen Schritte Bescheid. Umgekehrt hat nur die Hälfte der Arbeitgeber:innen in Deutschland, genau wie im europäischen Gesamtschnitt, tatsächlich einen Überblick über die Ambitionen ihrer Mitarbeiter:innen. Über die Hälfte der deutschen Befragten können nicht einmal behaupten, genaue Informationen über die Kompetenzen ihrer Angestellten zu verfügen. Eine Talentplattform, die alle Kompetenzen erfasst, könnte dabei eine Lösung bieten und die interne Mobilität und Zusammenarbeit zu verbessern.
„Obwohl viele Unternehmen deutliche Fortschritte gemacht haben, besteht auf die Gesamtsituation bezogen noch viel Entwicklungspotenzial“, sagt Susanne Müller, People Director bei SD Worx. „Schon heute gibt es eine Vielzahl von Tools, die die Laufbahn von Mitarbeiter:innen transparenter machen können. Fast die Hälfte der Unternehmen (46 Prozent) nutzt solche Technologien bereits.“
Die Hälfte der Unternehmen fördert Job Crafting
Immerhin herrscht insgesamt ein positives Lernklima. Zwei Drittel der Mitarbeiter:innen bildet sich nämlich täglich während der Arbeit fort. Rund die Hälfte der europäischen Unternehmen fördert Job Crafting, also ein gezieltes Vorgehen, den jeweiligen Jobinhalt an die Talente und Präferenzen der Mitarbeiter:innen anzupassen. Umgekehrt praktiziert das bereits ein Drittel aller europäischen Angestellten für sich – allerdings nur 27 Prozent der Deutschen.
„Europäische Unternehmen sind insgesamt auf einem guten Weg, denn sie haben das wesentliche Problem erkannt. Dennoch besteht aber natürlich noch weiterer Spielraum dabei, die interne Rekrutierung von Fachkräften zu optimieren – denn nur dann können sie ihr vorhandenes Potenzial voll ausschöpfen“, schlussfolgert Susanne Müller von SD Worx.